Ein Sonntag ohne Sonne aber mit viel Licht
Zum heiligen Sonntag habe ich mir doch direkt mal eine lange Nacht gegönnt. Aufgeweckt wurde ich weder vom Hahn noch vom Böckchen, sondern von einem wahrlich jauchzenden Kameraden, der mir immerhin zur Entschuldigung dieses kleine Geschenk da ließ. Seine Spezialität scheint es übrigens zu sein, auf dem Dach vom Gemeinschaftshäuschen zu hocken und in den Schornstein zu brüllen. Ich hatte das Gefühl, er wurde beim Duschen direkt neben mir stehen 🙉
Und den Tag des Herrn sollte man doch auch nicht mit knurrendem Magen bestreiten, weshalb ich mir ein sehr vollwertiges litauisches Frühstück kredenzen ließ. Das absolute Highlight für mich: Schafmilchjoghurt mit Heidelbeeren (hat gar nicht nach Stall geschmeckt 🤗), Waffeln mit Schafsmilch und Schafssalami direkt vom Hof 🤤 so lobe ich mir den Urlaub doch.
Aber irgendwann muss man auch mal in die Gänge kommen, speziell heute wo mir das Wetter ein wenig im Nacken saß. Also Back on the road again und ein Stück zurück des Weges nach Naisiai. Dort gibt es ein Freilichtmuseum zu den alten baltischen und pruzzischen Gottheiten. Ein weitläufiger Park ist gespickt mit vielen Statuen und spannenden Informationen.
Auch wenn sie eigentlich zu einer anderen Mythologie gehört, werde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier auf die Weltenschlange Jörmungandr plus Zwilling aus Skandinavien getroffen bin 🤔 Aber die Parallelen zwischen den Regionen sind tatsächlich überall gegeben. Allein wenn man bedenkt, wie viel Völkerbewegung es in Europa über Jahrtausende gegeben hat, ist doch klar, dass sich nicht nur menschliches Blut vermischt hat.
Pünktlich mit der letzten Skulptur setzte dann auch der Regen ein. Ich hoffe er zerstört nicht die ganze Zwiebelernte - ein Bild was man in Deutschland so in diesem Ausmaß tatsächlich nicht mehr sieht... Wir importieren sie lieber aus Spanien, da regnet es weniger 🧐
Es wird berichtet, dass dem Ort schon immer eine heilige Kraft innewohnte und seit der Christianisierung Litauens begannen die Menschen hier Kreuze aufzustellen, um an ihre Liebsten zu erinnern, die in der Ferne verstorben sind. So zum Beispiel im 19. Jh., als durch die erste russische Besatzung viele Litauer nach Sibirien verschleppt wurden und in Arbeitslagern starben. Im 20. Jh., während der Sowjetherrschaft, wurde der Hügel auch zum Sinnbild des litauischen Widerstandes. Denn das Regime, wie letztlich auch in der DDR, versuchte mit aller Macht jegliche Religion aus den Menschen herauszugreifen. Der einzige Glaube sollte der Arbeit für die Allgemeinheit und dem Vertrauen in die Regierung gewidmet sein. Man walzte die damals schon mindestens dreistellige Zahl an Kreuzen mit dem Bulldozer platt. Doch noch in der Nacht darauf, stellten die Litauer wieder neue Kreuze auf, um ein Zeichen gegen die Unterdrückung zu setzen.
Heute ist der skurril wirkende Ort ein Touristenmagnet und eine Pilgerstätte. Es ist Brauch beim Besuch ein neues Kreuz da zu lassen, mit dem man sich bedanken oder etwas wünschen kann. Wer kein Kreuz auf Tasche hat, kann sich natürlich am Eingang an den Ständen noch schnell eins kaufen 😅
Auch wenn es auf Nicht-Verstehen treffen mag: der Regen hat mir heute wahnsinnig gut getan. Ich muss gestehen, dass ich großer Fan dieses Schmuddelwetters bin, es löst eine unheimliche Gemütlichkeit in mir aus. Man kann sich in kuschelige Kleidung wickeln, es sind kaum Menschen draußen unterwegs, die Natur saugt das Wasser auf und gedeiht dadurch und ich muss einfach überhaupt gar nichts außer es mir gut gehen lassen.
Also rein in die Regenhose und auf in den Park von Plateliai.
Was gibt es an so einem regnerischen Tag eigentlich schöneres, als in einem kuscheligen Blockhaus zu sitzen, alte Geschichten zu recherchieren und Tee zu trinken? Dieser Wunsch ging schon mal in Erfüllung, hier würde ich direkt bleiben 😻 nicht nur, dass die rustikale Einrichtung und der mystische Garten total mein Ding sind, auch gibt es hier einen begnadeten Künstler, der sich frei ausgetobt hat. Ein Sonntag fast wie aus dem Bilderbuch - Danke Universum 🙏🏽
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