Ein Sonntag ohne Sonne aber mit viel Licht

Zum heiligen Sonntag habe ich mir doch direkt mal eine lange Nacht gegönnt. Aufgeweckt wurde ich weder vom Hahn noch vom Böckchen, sondern von einem wahrlich jauchzenden Kameraden, der mir immerhin zur Entschuldigung dieses kleine Geschenk da ließ. Seine Spezialität scheint es übrigens zu sein, auf dem Dach vom Gemeinschaftshäuschen zu hocken und in den Schornstein zu brüllen. Ich hatte das Gefühl, er wurde beim Duschen direkt neben mir stehen 🙉



Und den Tag des Herrn sollte man doch auch nicht mit knurrendem Magen bestreiten, weshalb ich mir ein sehr vollwertiges litauisches Frühstück kredenzen ließ. Das absolute Highlight für mich: Schafmilchjoghurt mit Heidelbeeren (hat gar nicht nach Stall geschmeckt 🤗), Waffeln mit Schafsmilch und Schafssalami direkt vom Hof 🤤 so lobe ich mir den Urlaub doch.


Aber irgendwann muss man auch mal in die Gänge kommen, speziell heute wo mir das Wetter ein wenig im Nacken saß. Also Back on the road again und ein Stück zurück des Weges nach Naisiai. Dort gibt es ein Freilichtmuseum zu den alten baltischen und pruzzischen Gottheiten. Ein weitläufiger Park ist gespickt mit vielen Statuen und spannenden Informationen.


Hier trifft man zum Beispiel auf den Gott Babilas, ein Gott des Honigs. Er wurde oft als fett, haarig und mit großer Libido dargestellt - wie eine männliche Biene eben 🤣 Nur seine Frau, die Bienenkönigin hatte ihn im Griff. Das Männerbild hat sich bis heute ganz gut gehalten, nur dass es mittlerweile eher Bier statt Honig ist, dem die Herren verfallen sind 😅


Auch interessant: die Laumés. Sie sind vergleichbar mit Nymphen und Gottheiten der Wälder und Gewässer. Sie treten meist in Gruppen auf, verführen mit Vorliebe Männer oder stehlen Babies. Wer wird bei dem Anblick nicht schwach?


Natürlich ist dieses Museum hier nicht ohne Grund entstanden. Es ist überliefert, dass sich an diesem Ort einst tatsächlich eine heidnische Kultstätte befand. Man hat versucht sie an Ort und Stelle nachzubilden.


Ganz oben auf dem Hügel steht Perkūnas, quasi der oberste der baltischen Götter. Er ist der Gott des Donners und herrscht über die Ordnung zwischen Himmel und Erde. 



Auch wenn sie eigentlich zu einer anderen Mythologie gehört, werde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier auf die Weltenschlange Jörmungandr plus Zwilling aus Skandinavien getroffen bin 🤔 Aber die Parallelen zwischen den Regionen sind tatsächlich überall gegeben. Allein wenn man bedenkt, wie viel Völkerbewegung es in Europa über Jahrtausende gegeben hat, ist doch klar, dass sich nicht nur menschliches Blut vermischt hat.


Pünktlich mit der letzten Skulptur setzte dann auch der Regen ein. Ich hoffe er zerstört nicht die ganze Zwiebelernte - ein Bild was man in Deutschland so in diesem Ausmaß tatsächlich nicht mehr sieht... Wir importieren sie lieber aus Spanien, da regnet es weniger 🧐


Um das Weltbild wieder gerade zu rücken, brauchte ich die volle religiöse Gegen-Dröhnung: den Hügel der Kreuze bei Šiauliai.
Es wird berichtet, dass dem Ort schon immer eine heilige Kraft innewohnte und seit der Christianisierung Litauens begannen die Menschen hier Kreuze aufzustellen, um an ihre Liebsten zu erinnern, die in der Ferne verstorben sind. So zum Beispiel im 19. Jh., als durch die erste russische Besatzung viele Litauer nach Sibirien verschleppt wurden und in Arbeitslagern starben. Im 20. Jh., während der Sowjetherrschaft, wurde der Hügel auch zum Sinnbild des litauischen Widerstandes. Denn das Regime, wie letztlich auch in der DDR, versuchte mit aller Macht jegliche Religion aus den Menschen herauszugreifen. Der einzige Glaube sollte der Arbeit für die Allgemeinheit und dem Vertrauen in die Regierung gewidmet sein. Man walzte die damals schon mindestens dreistellige Zahl an Kreuzen mit dem Bulldozer platt. Doch noch in der Nacht darauf, stellten die Litauer wieder neue Kreuze auf, um ein Zeichen gegen die Unterdrückung zu setzen.
Heute ist der skurril wirkende Ort ein Touristenmagnet und eine Pilgerstätte. Es ist Brauch beim Besuch ein neues Kreuz da zu lassen, mit dem man sich bedanken oder etwas wünschen kann. Wer kein Kreuz auf Tasche hat, kann sich natürlich am Eingang an den Ständen noch schnell eins kaufen 😅


Das führt unweigerlich zu einem ganz schönen Kreuzsalat. Besonders bei diesem Wetter muss man auch höllisch aufpassen, dass man mit dem Regenschirm nirgends hängen bleibt.


Natürlich war ich vorbereitet und hatte einen Rosenkranz dabei. Der war einmal ein Mitbringsel aus der Dominikanischen Republik und hat scheinbar über 10 Jahre nur darauf gewartet, heute in Litauen seine Ruhestätte zu finden. Den Wunsch verrate ich natürlich nicht 😉



Auch wenn es auf Nicht-Verstehen treffen mag: der Regen hat mir heute wahnsinnig gut getan. Ich muss gestehen, dass ich großer Fan dieses Schmuddelwetters bin, es löst eine unheimliche Gemütlichkeit in mir aus. Man kann sich in kuschelige Kleidung wickeln, es sind kaum Menschen draußen unterwegs, die Natur saugt das Wasser auf und gedeiht dadurch und ich muss einfach überhaupt gar nichts außer es mir gut gehen lassen. 
Also rein in die Regenhose und auf in den Park von Plateliai. 

Im Park eines schon lang nicht mehr existierenden Herrenhauses steht nämlich eine über 200 Jahre alte Esche. Mit einem stattlichen Umfang von 7,32 m und einer Höhe von knapp 32 m schindet sie ganz schön Eindruck. Ursprünglich waren es einmal 3 Stämme, doch leider ist der mittlere bei einem Sturm abgebrochen. Sie wird als Hexen-Esche bezeichnet, da sich viele Sagen um sie ranken. Zum Beispiel habe eine Hexe einst einen Schal um 3 Eschen gebunden, auf denen niemals Vögel landeten, sodass sie zusammen wuchsen. Angeblich würden sich hier abends immer noch die Hexen treffen, um sich zu beraten. Ich war leider allein 🤭




Was gibt es an so einem regnerischen Tag eigentlich schöneres, als in einem kuscheligen Blockhaus zu sitzen, alte Geschichten zu recherchieren und Tee zu trinken? Dieser Wunsch ging schon mal in Erfüllung, hier würde ich direkt bleiben 😻 nicht nur, dass die rustikale Einrichtung und der mystische Garten total mein Ding sind, auch gibt es hier einen begnadeten Künstler, der sich frei ausgetobt hat. Ein Sonntag fast wie aus dem Bilderbuch - Danke Universum 🙏🏽











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