Gesellschaft in Kaunas

Den heutigen Tag wollte ich ganz der Stadt Kaunas widmen. Wie startet man so ein Kulturprogramm am besten? Richtig: mit einer Free-Awalking-Tour. 

Schon der Weg zum Treffpunkt war mit allerlei Kleinod geschmückt, so wacht dieser lustige Geselle zum Beispiel über eine Fußgängerunterführung. Irgendwie lande ich immer in derart kreativen Orten mit einem gewissen Shabby-chic 😅


Die Gruppe traf sich vor dem großen Vytautas-Statue im Zentrum der Stadt. Vytautas ist sozusagen der Nationalheld Litauens. Er führte im 14. Jh. die Schlacht gegen die Deutschordensbrüder an. Er schlug die baltischen Kreuzzüge zurück und bewahrte sein heidnisches Land vor der gewaltsamen christlichen Unterwerfung. Dank ihm lief die Christianisierung in Litauen später diplomatisch und friedlich ab. Litauen hat sich seit jeher als ausgesprochen religiös tolerant präsentiert, im Sinne von leben und leben lassen. Unter seinem Regime bildete Litauen eine Allianz mit Polen.

Aber Vitautas sollte lang nach seinem Ableben noch einmal im Geiste der Litauer erwachen, denn er diente weiterhin als das Symbol für die litauische Freiheitsbewegung. Das Land ist sozusagen etwas ungünstig gelegen und war schon immer hart umkämpftes Territorium, das oft den "Besitzer" wechseln musste. Dabei wollten die Litauer von Anfang an nur ihre Unabhängigkeit. Es ging sogar soweit, dass die Sowjets das Denkmal abbauen ließen, in der Hoffnung den Freiheitswillen zu brechen. 


Kaunas selbst war lange Zeit weniger Stadt als Festung. Am Zusammenfluss von Memel und Neris wurde schon im Mittelalter eine Wehrburg errichtet und rund um die Stadtinsel entwickelten sich nach und nach Überwachungsposten. Es gab wenige städtische Gebäude, schon gar nicht aus Stein. Als Vilnius kurzzeitig in polnische Hand geriet, brauchte man sozusagen eine Ersatz-Hauptstadt, die Wahl fiel auf Kaunas. Um sie repräsentativer zu gestalten, verbat man per Dekret Häuser aus Holz und ließ diese sukzessive abreißen. Doch die Einwohner waren nicht auf den Kopf gefallen: sie sorgten dafür, dass die Fassade zur Straße hin nicht mehr holzig aussah... Der Hinterhof ging schließlich niemanden etwas an - wie man an diesem Exemplar unschwer erkennen kann 🤭



Allgemein ist es so, dass der kaunasische Baustil viele Überraschungen bereit hält. Selten sieht ein Haus von hinten genauso aus wie von vorn - das gibt der Stadt eine Art zweites Gesicht.

Auch spannend sind die kleinen zugemauerten Fenster hier neben ihren großen Brüdern. So hart wie die Winter hier oben sind, so clever waren die Litauer. Vor diesen nur spärlich gedämmten Kältebrücken postierten man in der Wohnung einen gut isolierten Schrank - Fertig ist der gottgegebene Kühlschrank 🤯 
Von Klimaerwärmung hatte damals offenbar noch keiner gehört, denn was macht man dann im Sommer?


Und wenn wir einmal bei Hinterhöfen sind: man kann sie auch als Galerien nutzen. Das erste Kunstwerk, diese kesse Katze im Fenster, diente nur dazu mit ihrer Schönheit die Anwohner von Müllabladen abzulenken. Mittlerweile hat der Hof eine Art Eigenleben entwickelt und wird stetig weiter gestaltet.


Diese fleißigen Damen bitten um Silencio 🤫



Das ist übrigens ein Abbild des ersten Künstlers selbst.




Nach moderner Kunst in Hinterhöfen ging es wieder einen Gang zurück zu offizieller und eher gesitteteren Gefilden. Die Kathedrale von St. Peter & Paul überzeugt mit einem prunkvollen Deckengewölbe und allem, was zu einem katholischen Gotteshaus dazu gehört.



In einer kleinen Kapelle nebenan kann man sich für 5 Euro eine Kerze kaufen und wenn man sie, zusammen mit seinem Anliegen, einer Nonne übergibt, dann bringt diese sie in das dunkle Kämmerlein. Solang die Kerze brennt, beten alle Nonnen fleißig stellvertretend für den edlen Spender, auf das sein Wunsch in Erfüllung gehe.
Das Business scheint zu laufen und die Nonnen einen guten Überblick darüber zu haben, zu welchem Wunsch welche Kerze gehört 😅


Aber genug der Frömmigkeit. Zurück zu den ausgefallenen und wirklich interessanten Dingen, wie dem weltweit einzigartigen Teufelsmuseum 👹
Aus irgendeinem Grunde, vielleicht hat es ihm der Leibhaftige gar selbst angewiesen, kam ein Künstler auf die Idee Abbilder des Belzebubs zu sammeln. Über das selbst gesetzte Ziel von zwanzig Dutzend ist die Sammlung inzwischen weit hinaus geschossen, finden sich mittlerweile über 3000 Exponate, in stetig wachsender Kollektion aus aller Herren Länder.





Doch nicht nur Eigentümliches Sammeln konnte er, er war auch tatsächlich ein begnadeter Maler, wie der Blick ins Atelier zeigte.


Am Tag zuvor hatte ich mir noch Sorgen gemacht, wie ich den Tag füllen könnte. Doch da ich auf der Tour eine sehr nette Kolumbianerin kennenlernen durfte, mit der ich auch den Rest des Tages verbrachte, verflog die Zeit wie im Nu und vielleicht habe ich dadurch auch bereits mein Reiseziel für das nächste Jahr auserkoren 😋



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