Heimaterde, ein Grenzübertritt und fünf Abendessen

Heute war es dann soweit - es galt ja noch eine Mission zu erfüllen. 

Aus den Beschreibungen meiner Verwandtschaft hatte ich gestern Abend noch versucht bestmöglich herauszufinden, wo ich denn in Czerwonka überhaupt hin musste. Mit mäßigem Erfolg, eine genaue Position des ehemaligen Hofs konnte mir keiner so richtig mitteilen. Aber nichtsdestotrotz war ich ganz schön aufgeregt und habe mich riesig darüber gefreut, als das Ortseingangsschild in Sicht kam.


Nachdem mich am hellerlichten Tag ein Fuchs ins Gebüsch lockte, fand ich tatsächlich Spuren alter Zivilisation. Schon Wahnsinn, wie sowas einfach irgendwann in Vergessenheit gerät und von der Natur verschluckt wird. 


Aber nicht nur alte Steine konnte mir das Tier zeigen, sondern auch mein heutiges Abendessen. Ein Rudel fast fußballgroße Riesenboviste warteten auf ihre Ernte. Hätte ich da keinen mitgenommen, hätte sich mein Großvater, der alte Pilzsammler, im Grabe herumgedreht 😜


Mein einziger wirklicher Anhaltspunkt war ein alter Friedhof auf einem Hügel und der ließ sich tatsächlich über Maps ausfindig machen. Jedoch war hier kein Durchkommen mehr, nur noch die Mauer rundherum lässt darauf schließen, dass es hier mal etwas menschengemachtes gab.



In den Beschreibungen meines Großonkels ist die Rede vom größten Hügel der Umgebung - hügelig ist es in der Tat, der höchste ist wirklich schlecht auszumachen. Aber er schreibt auch von einem Moor und zwei Teichen, die konnte ich tatsächlich alle finden. 

Im Endeffekt geht es bei so einer emotionalen Sache wie den eigenen Wurzeln doch nicht um Präzision. Es geht um das Gefühl und die Verbundenheit im Herzen. Für mich war heute jeder Stein, jeder Grashalm und jeder Tümpel der richtige Ort. Ich fühle mich noch immer sehr beseelt, wenn ich daran zurück denke und ich glaube, dass auch meine Ahnen heute ein Stück mehr Frieden finden konnten. 🙏🏽



Mission completed und was kommt nach der Arbeit? Richtig, das Vergnügen 😋 also auf nach Norden, die Rundreise durch Litauen kann jetzt so richtig losgehen. Da es sich auf der neuen Via Baltica staute, schickte mich die moderne Technik auf abenteuerlichen Wegen über die Grenze. Grenzübertritt pünktlich 13.00 Uhr MEZ - ich bin richtig im Ostblock und damit in die Zukunft gereist und euch 1h voraus.
Man beachte bitte, dass die Straße hier auf litauischer Seite die eindeutig bessere ist 😅


TRUGSCHLUSS!!! Nach wenigen Kilometern bestand die Straße aus einer fahrzeugbreiten Spur aus bröckeligem Asphalt mit breiten Dreckstreifen links und rechts zum Ausweichen, falls doch mal Gegenverkehr kommt 🙈

Über die Memel fuhr ich 1h später, 15.00 Uhr OESZ. In Punia gibt es einen Aussichtspunkt, von dem man wunderbar über den Memeschleifennationalpark blicken kann. Natürlich fand Maps die asphaltierte Straße zu unspektakulär, weshalb ich über 5 km mit dem Mokka über meinen Lieblingsuntergrund cruiste - Sand 😬 auch mit dem Auto keine besonders schöne Erfahrung, es erinnerte stellenweise an frischgefallenen Schnee auf Glatteis.
Aber dafür fuhr ich durch dichten Urwald, der nach dem Regen auch eine recht tropische Luftfeuchte präsentierte, wie ich beim Aufstieg zum Aussichtspunkt feststellen durfte. Dennoch: es hat sich gelohnt. Der Ausblick über den Nemunas (so heißt die Memel nämlich eigentlich auf litauisch) ist gigantisch.


Und wie als hätten die Götter nur noch drauf gewartet, bis ich wieder sicher im Auto saß, schickten sie mir ein Unwetter der besonderen Art. Mit Donnergrollen, hellen Blitzen und Starkregen empfing mich der oberste Gott der Balten - Perkūnas genannt.
Eigentlich wollte ich heute noch das riesige ethnografische Freiluftmuseum in Rumišiškés besuchen, das fiel dann aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Leider ist die Gelegenheit damit wahrscheinlich auch vertan, denn über das Wochenende findet hier ein Festival statt, sodass keine Normalsterblichen eingelassen werden 😢


Dann eben direkt weiter nach Kaunas. Irgendwie war ich gar nicht traurig darüber, da ich heute doch schon so viel erlebt habe und ein Urlaub ja auch Entspannung bedeuten sollte.
Der Weg in die ehemalige Behelfshauptstadt von Litauen war allerdings alles andere als entspannend, Dank Berufsverkehr und dem unglaublichen Sauwetter. Die Spurrillen sind hier manchmal so tief, dass man auf der Autobahn große Spritzwasser-Wellen von der Gegenfahrbahn abbekommt 😳 Auf der Landstraße gibt so mancher Autofahrer einfach auf und bleibt an der Seite oder in Bushaltestellen mit Warnblinker stehen. 
So schlimm war's dann aber auch wieder nicht und ich bin sicher aber ganz schön geschafft und ausgehungert in meiner Herberge angekommen.

Mit letzter Kraft schleppte ich mich noch an den Herd, um meine Beute zu braten. Es wird jetzt wahrscheinlich die nächsten 5 Tage Steak vom Riesenboviste an Hirse mit Pesto geben, mega lecker 🤤. Guten Appetit oder auf litauisch: Skanaus!


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