Witamy w Polsce

Dieses Jahr erfülle ich mir einen schon lang gehegten Traum: ich begebe mich auf die Spur meiner Ahnen in den Nordosten Europas - ein Roadtrip über Polen nach Litauen.

Mit einer Stunde Verzug wurde die Maschine heute morgen um 06.00 Uhr gestartet.


Das Glas für die Heimaterde ist noch leer, dafür das Auto umso voller... Wenn man den Platz hat und das Gerümpel nicht tragen muss, neigt man leider dazu ihn auch auszufüllen.
Meine Mission: Erde aus dem Heimatdorf meiner Oma im äußersten Nordosten von Polen, kurz vor der litauischen Grenze zu holen (und auch das restliche Gepäck natürlich unversehrt wieder heim zu bringen 😅).


Vor mir lagen einige Kilometer, da schweifen die Gedanken schon Mal. Natürlich vor allem auch hin zu den lieben Ahnen, die nicht mehr da sind. Kurz nach Lübben/Biebersdorf, dem früheren "geheimen" Pilzjagdgrund meiner Familie gab's dann erst Mal Frühstück unter Schäfchenwolken.


Kurz nach 09.00 Uhr überquerte ich die Oder und ließ ich Deutschland hinter mir. Tatsächlich hatte ich ein bisschen Bammel davor, ganz allein in Polen mit dem Auto unterwegs zu sein. Aus den Polen-Urlauben vor knapp 15 Jahren hatte ich noch kranke Überholmanöver und ungeduldige Drängler in Erinnerung - aber da hat sich tatsächlich viel getan. Keine Staus, keine brenzligen Situationen (bis auf zweimal Starkregen mit Sicht unter 50m 😅) liefen die knapp 770 km - toi, toi, toi - wirklich sehr geschmeidig.

Natürlich bin ich die Strecke nicht am Stück gefahren, dafür habe ich eine zu kleine Pionierblase und viel zu viele Hummeln im Hintern. Als längeren Zwischenstopp habe ich mir das süße Örtchen Biskupin kurz hinter Posen ausgesucht. Dort sollte es ein archäologisches Freilichtmuseum geben, das ich natürlich nicht im ersten Anlauf gefunden habe. Bei der Beschilderung klemmt es hier noch ein bisschen.

Dafür wurde ich zuerst mit, laut Tafel am Eingang, dem ALLERgrößten Schmalspureisenbahnmuseum Europas belohnt. Ob das so stimmt, kann ich nur schwer einschätzen, Fakt ist aber, dass ich zum Montag Mittag selbst im tiefsten Polen an die Arbeit erinnert werde - nichts wie weg 🤣
Ganz stolz habe ich hier meinen ersten Kaffee auf fließend Polnisch bestellt - nur leider konnte die Verkäuferin meine Freude nicht ganz so teilen, da ich sie dafür aus der Mittagsruhe holen musste 🙈


Mit dem Kombi-Ticket für die Ruine nebenan habe ich die lokalen Pufferknutscher aber trotzdem unterstützt. Hier durfte ich lernen, dass der Ort Wenecja heißt, was der polnische Name von Venedig ist. Der wurde gewählt, weil die einst im 15. Jh. hier gestandene Burg von Sümpfen umgeben war. Das Ausstellungsstück ist allerdings nur eine Rekonstruktion, die Originalsteine hat man damals direkt recycled und für andere Gebäude genutzt. 


Nun musste ich aber doch noch einmal nachforschen, wo denn mein eigentliches Ziel sich befand. Eine kurze See-Umrundung später fand ich dann das archäologische Freilichtmuseum von Biskupin und war natürlich sofort hingerissen. Im gesamten Areal, dass sich über mehrere Hektar erstreckt hat man Besiedlungsrückstände aus verschiedenen Epochen gefunden und diese nun sehr anschaulich rekonstruiert.

Hätte ich nicht meinen Schlafsack daheim vergessen, hätte ich mich für die Nacht auch gern unter dem gemütlichen Shelter aus der Zeit der Jäger und Sammler am Teich niedergelassen. 


Nur wenige Meter weiter konnte ich durch ein Langhaus aus der Jungsteinzeit hineinfühlen. Dabei nahm ich das Reet-Dach näher unter die Lupe und musste feststellen, das wir Neuzeitmenschen auch manchmal wirklich umständlich sind: wir stellen uns super ökologische Insektenhotels in den Garten, während unsere Vorfahren ein ganzes Dach als Lebensraum zur Verfügung stellten.


Der Innenraum war zwar etwas staubig, aber dafür urgemütlich. Auf dem Fell an der Feuerstelle hätte ich gern ein kleines Nickerchen gemacht nach der langen Fahrt.


Sogar die Feuerlöscher wurden authentisch mit Fell verkleidet - das nenne ich Liebe zum Detail 🤭



Das Highlight der Ausstellung sind aber zweifelsohne die Überreste der bronzezeitlichen Verteidigungssiedlung auf der Halbinsel im See. Die Siedlung musste zwar durch den Anstieg des Wasserspiegels damals aufgegeben werden, das hatte jedoch dazu geführt, dass sie durch Wasser und Schlamm so gut konserviert wurde, dass man vom polnischen Pompeii spricht. Kaum zu glauben, dass die ganze Halbinsel einmal voll mit diesen langen Reihenhäusern war. Da musste man sich auf jeden Fall mit den Nachbarn gut stellen. 😅






Neben einer Ausstellung, die über die archäologischen Ausgrabungen selbst berichtet, findet man auch noch eine rekonstruierte Siedlung aus dem Mittelalter und eine Pałuki-Hütte, wie sie hier in der Gegend im 18./19. Jh. üblich war.


Den kleinen Abstecher in längst vergangene Zeiten habe ich so sehr genossen, dass ich die Zeit völlig aus den Augen verloren habe. 

Allgemein unterscheidet sich dieser Landstrich nicht allzu sehr von unserem schönen Mittelsachsen: etwas hügelig, viel Landwirtschaft (nur dass einen die Trecker hier freundlicherweise eigentlich immer überholen lassen) und hier und da mal ein Wäldchen dazwischen. Ihr bin heute durch viele ruhige Ortschaften gefahren, auch die erinnern mich vom Zustand her an unsere verlassenen Kleinstädte, lediglich der Sowjet-Charme hier und da ist bei uns nicht ganz so ausgeprägt 😅 

Was mir aber besonders auffiel, sind die uralten, sehr hohen Bäume in den dichten Waldstücken entlang der Straße. Allgemein habe ich das Gefühl, wie neulich auch schon bei einem Ausflug nach Tschechien, dass die Natur hier viel saftiger und artenreicher ist. Irgendwie wirkt unser Land so richtig ausgelaugt dagegen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das nicht nur das physische Land betrifft, sondern auch die Menschen, die auf ihm leben.

Die Grenze zur Woiwodschaft Ermland-Masuren passierte ich dadurch erst um 18.30 Uhr, weshalb ich in den ersten masurischen See, den Jezioro Maróz, erst in der Dämmerung hüpfen konnte.


Frisch gebaden freue ich mich jetzt natürlich endlich auf die Heia. Dobrenoc 😴

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