Auf den Spuren von Rügens Frühgeschichte

 Warum eigentlich Rügen? 

Als ich letztes Jahr nach Leisnig gezogen bin und begonnen habe die Gegend um mich herum zu erkunden, bin ich auf die Spuren alter slawischer Besiedlung gestoßen. Überall im Muldental finden sich alte Wallanlagen, die vor 1000 Jahren die Handels- und Kulturzentren der Bevölkerung waren. Das westslawische Besiedlungsgebiet erstreckte sich einst von Saale bis Oder und vom Erzgebirge bis nach Rügen. Das letzte Überbleibsel sind sozusagen die Sieben, das alte Brauchtum also auch noch nicht ganz ausgestorben.

Auf Rügen, genauer am Kap Arkona, stand einst eines der Hauptheiligtümer dieses Volkes, in dem Rechtssprechung stattfand und Orakel für wichtige Themen mit großer Tragweite gesprochen wurden. Die Wallburg lag am Haupthafen für den umfangreichen Ostseehandel - Bernstein galt damals schon als beliebter Schmuckstein und brachte im Handel mit Südeuropa viel Ertrag.

Nachdem ich nun mittlerweile so viel über die Slawen gelesen hatte, war es an der Zeit für Feldforschung und da die Richtung schon Mal stimmt, bot sich der Abstecher auf die Insel doch an. Meinem Begleiter mit westdeutschen Wurzeln konnte ich so gleich auch noch etwas den Horizont erweitern, hatte Rügen nämlich bisher noch gar nicht auf dem Schirm gehabt.

Locken konnte ich ihn aber vor allem mit der Kreideküste und dem damit verbundenen Feuerstein-Vorkommen. Im Rahmen unserer Wildnispädagogik-Ausbildung beschäftigen wir uns auch mit der Herstellung von Werkzeugen aus natürlichen Materialien. Da steht der Flint als Rohstoff für Klingen und Pfeilspitzen natürlich hoch im Kurs und ich fühle mich besser, wenn sein Rucksack nicht wegen meinen vielen Sachen schwer ist, sondern den selbst eingepackten Steinen 😅



Die Feuersteinschichten, die sich als harte Platten durch die poröse Steilküste aus Kreide ziehen wirken total bizarr, wie als hätte jemand jeden Stein einzeln fein säuberlich in die Wand gesteckt.

Vom Peilturm aus hat man einen tollen Ausblick über die Küstenlinie und auch auf die Jaromarsburg, wie die slawischen Wallburg, die auf den Kreidefelsen gethront hat, genannt wird.

Sie wurde vermutlich im 9.Jh. gebaut und hielt bis ins Jahr 1168 stand, dann wurde sie vom dänischen König nach langer Belagerung gestürzt. In der Mitte der Burg stand der Tempel mit einer riesigen Statue des vierköpfigen Gottes Swantevit. Rügen war die letzte heidnische Region auf heutigem Bundesgebiet und dieser Überfall läutete nun auch hier die Christianisierung ein.

Von dem einstigen Leben an diesem Ort ist nur noch der stellenweise bis zu 13m hohe Burgwall übrig, da die Anlage selbst nicht aus Stein, sondern aus Holz bestand. Außerdem fällt der Bereich mehr und mehr der Erosion der Küste zum Opfer. Es wird angenommen, dass die heute noch sichtbare Fläche nur noch ca. ein Drittel der ursprünglichen Größe ausmacht.


Besonders gefreut hat mich, dass man sich hier an diesem Ort mittlerweile wohl seiner Wurzeln zurückbesinnt. Zu Ehren der Kultur ihrer Vorfahren haben die Rügener hier eine Statue des Swantevit errichtet, die nun über die Überreste der einst so reichen Stätte wacht.


Doch Rügens Geschichte reicht noch viel weiter zurück in die Vergangenheit. Mir war absolut nicht bewusst, wie viele steinzeitliche Hünengräber, Dolmen und Grabhügel sich über die ganze Insel verteilt befinden.


Da unsere Fähre ab Rostock in Richtung Schweden schon für den nächsten Tag gebucht war, konnten wir uns natürlich nicht mehr jedem einzelnen widmen. Doch mit so einem Bus wählt man seinen Schlafplatz natürlich auch selbst, also warum nicht in direkter Lage übernachten?

Auf dem Weg gen Süden nahmen wir noch das Großsteingrab bei Nobbin mit, eine der größten Anlagen Norddeutschlands aus der Jungsteinzeit.

Unser Nachtlager schlugen wir dann im Südosten der Insel, bei Lancken-Granitz auf. Dort befinden sich auf einem relativ kleinen Fleck die meisten Gräber.  Inmitten einer bewirtschafteten Wiese liegen kleine bewaldete Inseln auf denen man die eigentümlichen Grabanlagen bestehend aus gigantischen Findlingen findet. Wir zählten sechs an der Zahl. Die Überlegung, wie diese Monumente mit den damaligen Mitteln errichtet wurden führt nach kurzem Brainstorming ins Nichts. Ähnlich wie bei Stonehenge weiß hier bis heute keiner, wie das bewerkstelligt wurde. Wir waren uns jedoch beide sofort einig, das diesen Ort eine ganz besondere Aura umgibt und man die alte Kraft schon nach kurzer Zeit deutlich spüren kann.






Zum Glück haben uns die Geister Hünen in der Nacht nicht heimgesucht, sonst hätten wir vielleicht noch die Fähre verpasst. Um 15.30 Uhr liefen wir aus dem Hafen von Rostock aus und verabschiedeten uns damit auch für eine ganze Weile aus Deutschland.



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