Wildes Abenteuer
Mit all dem Wildnis-Wissen im Gepäck wird es nun Zeit für ein richtiges Abenteuer in Schwedens einsamer Wildnis. Also Rucksack aufgehuckelt und Wanderschuhe geschnürt - Tschüss letzter Rest der Zivilisation.
Um das ganze auch möglichst authentisch zu gestalten, sandte Njörd uns Regen. In der letzten Woche hatte es davon scheinbar noch nicht genug gegeben, obwohl die sonst so zahmen Flüsse entlang der Route mächtig voll waren.
All die Stapferei über vollgesogene Schwämme macht ziemlich hungrig. Immerhin muss man hier keine schweren Wasservorräte mit sich schleppen. Überall gibt es Bäche und Seen, die hier, im Gegensatz zu Deutschland, nicht mit Agrarausfällungen, Düngemitteln oder Fabrikabwässern belastet sind. Einfach Becher vollmachen und Erfrischung genießen - Wahnsinn.
Auf einer kleinen Landzunge am Fluss schlugen wir dann auch unser Lager für den Rest des Wochenendes auf und machten es uns erst Mal so richtig gemütlich.
Tag 1 der wilden Wanderung krönten wir im Halbdunkel mit einer aufregenden Flussdurchquerung im hüfthohen Wasser. Zum Glück hilft das Adrenalin für eine gewisse Zeit, das Nässe- und Kälteempfinden zu reduzieren. Zum Trockenwerden hilft nur ein lauschiges Lagerfeuer - was hier in Schweden einfach immer und überall möglich ist. Einfach unfassbar, wenn man bedenkt wie viele tausende Regeln es dagegen in Deutschland gibt. Frei ist man zu Hause definitiv nicht.
Den zweiten Tag begannen wir trotzdem mit nassen Füßen. Leider auch nur mit mäßig warmen und unausgeschlafen, denn ich war die halbe Nacht damit beschäftigt, die zwei Eisklötze am Ende meiner Beine warmzurubbeln 🥶
Aber im Grunde war das auch völlig egal, denn unser Weg führte uns ohnehin überwiegend durch Sumpfgebiet, auch das hatten sie vergangenen Regenfälle noch gefördert. Immerhin versprach der Tag selbst richtig freundlich zu werden.
An Tag 3 stand eine Exkursion zu einem großen See bevor, der sehr reiche Fischbestände hat. Denn das ganze Trockenfutter und Zuckerzeugs macht weder satt noch stark für den Rückweg.
Also diesmal in wirklich trockene Schuhe. Sie sollten auch deutlich trockener bleiben, als am Vortag, denn unser Guide spendierte uns aus Mitleid extra eine Route über Stock und Stein, statt durch den tiefen Morast.
Er hat bisher auch noch nie Deutsche erlebt, die mit Schuhwerk kamen, dass den hiesigen Bedingungen gerecht wird. Wir bestätigten ihm die Vermutung: fast alle Sümpfe in Deutschland sind für Landwirtschaft und Besiedlungsfläche trocken gelegt wurden. Wir brauchen keine richtigen Sumpf-Stiefel.
Es gibt da draußen zwar nicht wirklich einen Wanderweg, aber Schneemobilstrecken. Die erkennt man an den roten Kreuzen in der Prärie. Kaum vorstellbar, dass all das üppige Grün, die triefnassen Wiesen und spiegelklaren Seen im Winter von einer meterhohen Schneedecke bedeckt sein sollen. Zu gern würde ich mir auch das Mal anschauen.
Auch heute standen wieder einige Flussüberquerungen auf dem Plan, allerdings war er an diesen Stellen deutlich weniger tief als beim letzten Mal. So galant von Stein zu Stein hüpfen wie die Männer habe ich mir allerdings nicht getraut. Dann lieber barfuß in Seelenruhe durchgearbeitet, so blieben die Schuhe diesmal auch definitiv trocken.
Nach all dem Regen tat die Sonne so unendlich gut und zauberte wieder einmal die schönsten Panoramen hervor, die man sich nur erdenken kann. Mit Worten lässt sich diese wilde Schönheit einfach nicht beschreiben, deshalb lasse ich an dieser Stelle einfach ein paar Bilder sprechen.
Dieser eine große See hatte eine ganz besondere Stimmung. Die schroffe Felswand im Hintergrund tat ihr übriges dazu. Auf einer Halbinsel dieses Sees haben die Saami, so ziemlich das letze indigene Volk Europas, einen Altar errichtet. Außerdem queren sie diesen See niemals, wenn er zugefroren ist. Er ist ein Heiligtum für sie und wir waren uns einig, dass von diesem See tatsächlich ein sehr tiefer, wunderschöner Frieden ausgeht.
An welchem Wässerchen auch immer wir vorbei kamen, die Angel wurde platziert und am Ende des Tages waren wir da mit auch ziemlich erfolgreich. Die Forellen sicherten uns ein nahrhaftes Abendessen, dass wir uns schließlich auch redlich verdient hatten: Unser Guide war im Angelrausch noch einige Kilometer weiter flussaufwärts gegangen und wir hatten uns allein zurück zum Camp kämpfen müssen. Was gar nicht so einfach war, wenn man sich auf dem Hinweg einfach nur hat leiten lassen, ohne auf den Weg zu achten.
Aber allerlei hübsche Entdeckungen ließen uns wie Kinder einfach dem Instinkt folgen, was man ja sonst im Alltag viel zu wenig macht. Mit reiner Verstandeskraft wären wir wahrscheinlich nie angekommen.
Und aller guten Dinge sind drei - also noch Mal rüber über den Strom. Die Barfuß-Technik hatte sich für mich bewährt, trotzdem vorsichtshalber lieber ohne Hose. Allzu viel Wechselsachen kann man auf so einen Marsch nun auch nicht mitnehmen.
Für den Rückweg hatte unser Guide, aufgrund der Schuhsituation, tatsächlich einen anderen Pfad im Sinn - einen richtigen Wanderweg mit Planken über den Sumpf. Das große Fragezeichen war jedoch der Weg von Fluss bis auf den Pfad, den kannte er so auch noch nicht. Das Wetter spielte ein wenig April und wechselte im Zehn-Minuten-Takt seine Stimmungslage. Aber gerade dieser Sonne-Wolken-Mix machte die Aussicht vom Hochplateau noch dramatischer und atemberaubender.
Offenbar nützte uns mein Geweih als eine Art Köder, denn wir trafen unterwegs so manches Rentier. Vielleicht rochen wir nach der langen Zeit ohne Seife auch einfach alle wie Artgenossen.
Witzig zu beobachten ist, wie sie mit nach oben gereckter Nase immer gegen den Wind rennen. Das machen sie zum einen, um sofort riechen zu können, wenn ein Jäger in der Nähe ist und auch um selbst nicht von diesem gerochen werden zu können. Manches Tier legte einen ganz schönen Zick-Zack-Tanz aufs Sumpf-Parkett, um unsere Witterung zu bekommen - wahrscheinlich einfach nur um abzuchecken, ob wir für es gefährlich sind.
Der "Wanderweg" - für deutsche Verhältnisse immer noch nicht mehr als ein Trampelpfad mit Markierung - war gefunden und ein Bächlein plätscherte uns das Wasser für das Mittagessen daher. In Windeseile hatten wir als nun eingespieltes Team ein Feuerchen daneben gezaubert und konnten wieder einmal mit dem Schuhe trocknen beginnen. Der am Vortag gefangene, über Nacht in Salz eingelegte Fisch schmeckte nach den Strapazen noch viel, viel besser als sonst.
Und schließlich tauchte die Zivilisation wieder auf. Ein absolut surreales Gefühl, den Rucksack abzusetzen und in eine rollende Blechdose zu krabbeln. Ich war schon echt dankbar, nicht auch noch in ein Stein-Haus hinein zu müssen. Kaum vorstellbar, wie abgetrennt von allem wir doch in unserem Alltag leben!
Ein wunderschöner Vollmond leuchtete uns seinen Gute-Nacht-Gruß.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen